Münchner Sichten_part 2


von GUISEPPE DI PIZZA

Jugendsprache

Auf der Pfaffenhofener Realschule war eine Zeitlang, von mir etwa ab der Jahrtausendwende  zur Kenntnis genommen - ein Jargon üblich, dessen besonderes, pfaffenhofnerisches Charakteristikum unter anderem in der englisch anmutenden Aussprache deutscher Begriffe lag. Von dort aus verbreitete er sich auf die anderen Schularten, blieb aber immer fest in der Realschule verwurzelt. Auf den anderen Schularten gab und gibt es meines Wissens keine originäre Jugendsprache. Das schöpferische Moment mag mit der Stellung der Realschule als Schmelztiegel der Kulturen im deutschen Bildungswesen zusammenhängen. Belege für die Urheberschaft von Pfaffenhofener Realschülern für die von mir vorgestellten Begrifflichkeiten kann ich nicht vorweisen.

Man ging damals nicht mehr nach Hause, sondern „päckte“ es. Mit dem Auto fahren wurde nun „cruisen“ genannt, wie es aber auch sicher auch in anderen Kommunen vorstellbar ist. Wenn man derart lachte, dass es kaum auszuhalten war, musste man „zambreaken“, oder noch schlimmer: „voll zambreaken“. Weitere Beispiele sind das (schwer zu transkribierende) „fraysen“, wenn man Hunger hat, oder die für Mädels unerlässliche „Täsch“.


Es fällt bereits auf den ersten Blick auf, dass hier bayereischen Vokabeln ein mondäner Anstrich verliehen wird. Die vielleicht trostlose Existenz an dem damals noch nicht lebenswertesten Ort zwischen Himmel und Erde kann damit ein Stück weit transzendiert werden. Ebenso wird eine Abgrenzung der Clique nicht nur zur Erwachsenenwelt, sondern auch zur Jugend aus anderen Städten, insbesondere jener aus größeren Städten, die ob ihrer Großstadtmentalität übermenschliche Coolness besitzt, und daher einschüchternd wirkt, vollzogen. Wenn man denen nämlich schon auf deutsch (auch ob der bayerischen Klangfärbung) nicht beizukommen vermag, holt man sich eben Munition aus dem Mutterland der Coolness.

Damit steht die Pfaffenhofener Jugendsprache in Tradition mit der 1986 veröffentlichten Serie „Irgendwie und Sowieso“, in der München „Manhattan“ und der Landkreis Ebersberg „Texas“ genannt werden. Zwei Chixn im Film erwidern, als sie dies zum ersten Mal hören „ja dann kimmt ja der Elvis vo do, direkt ausm Kolbermoor“. Auch in Pfaffenhofen wurden verfremdete geographische Bezeichnungen verwendet, wie etwa das (vermutlich in Petershausen selbst entstandene) „P-Town“.
Dem etwa 2007 aufgekommenen „Manhettenshausen“ blieb dagegen bisher nur die tote Existenz eines Kunstwortes, was aber allein damit zusammenhängt, dass dort nicht die kritische Masse an jungen Leuten „chillt“, die dann eine „Blasn“ mit eigenem Slang bilden könnten.

Weitere Kreise zog das heute noch übliche, ein hohes Maß an Verwunderung ausdrückende „haltmalsmaul!“ oder „haltmaldeinmaul!“, das alternativ auch mit „halteinfachsmaul!“ gesteigert werden kann. Die allgemein bei Jugendsprache anzutreffende Tendenz zur Übertreibung ist hier auf ein krasses Maß übersteigert, und pervertiert den teleologischen Sinn des Ausdrucks. Darin wird eine misstrauische und resignative Haltung gegenüber Neuerungen, und allgemein Erstaunen hervorrufenden Sachverhalten offenbar. Die Sehnsucht nach der weiten Welt, und dem besseren Leben ist daraus verschwunden.

Haben die Pfaffenhofener damit schon im Jugendalter mit ihren Träumen abgeschlossen?
Oder kommt darin zum Ausdruck, dass man erkannt hat, dass man sich im neuen Jerusalem, im Himmel auf Erden aufhält – in dem die neuerliche Wiederkunft des Messias nur eine Frage von Monaten ist?

Selbst wenn dem so wäre, eine Jugend, die innerlich schon so verrottet ist, dass sie sich nichts besseres als den momentanen Zustand vorstellen kann (selbst wenn es in dem eine kleine Landesgartenschau gibt), die Neuem und Verrücktem gegenüber von vornherein kritisch eingestellt ist (egal wie schädlich und schändlich dieses ist), die verdient ihren Namen nicht!

Ein abschließendes Urteil möchte ich mir hier nicht erlauben. Die Überlegungen werden demnächst weitergeführt, dann auch unter kulturvergleichenden (Wolnzach, München) Gesichtspunkten.

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